Wenn im Yoga die Rede von Licht ist, dann sind eher selten Sonnenstrahlen gemeint. Es geht nicht ums Strahlen, nicht um wörtliche Helligkeit oder gar darum ‚erleuchtet‘ zu wirken. Und auch nicht darum im Scheinwerferlicht zu stehen.
Es geht bei Licht immer um Weisheit und Erkenntnis. Um die innere Klarheit, die auftaucht, wenn du eine Weile nach Antworten gesucht hast. Es geht um all die vielen Erkenntnisse, die du schon gehabt hast und noch haben wirst. Na klar, auch um die großen Aha-Momente.
Licht gleich Erkenntnis (und dann Licht gleich Weisheit)
In dir gibt es buddhi, बुद्धि - die Vernunft, das Einsichtsvermögen, die Fähigkeit zu unterscheiden worum es tatsächlich geht. Buddhi ist auch die Frau von Ganesha (und er hat noch eine zweite Siddhi – mystische Kraft; wie er zu zwei Frauen kam ist auch eine schöne Geschichte).
Buddhi in uns hat mehrere Ebenen. Da ist die ganz praktische, wenn ich zum Beispiel eine Mango kaufen möchte. Es geht darum zu entscheiden und zu überlegen. Wo kann ich diese Mango kaufen, klappt das heute, ist sie in guter Qualität zu bekommen und so weiter.
Ein weiterer Aspekt von Buddhi ist zu überlegen, ob etwas sinnvoll ist oder nicht. In diesem Sinne ist Buddhi der freie Wille. Ich kann darüber nachdenken, ob etwas zu mir passt, für mich sinnvoll ist oder nicht. Ich kann auch über einen Wunsch nachdenken und entscheiden, ob ich ihn erfüllen sollte oder nicht.
Und mit Buddhi kann ich auf der philosophischen Ebene nachdenken und Schlussfolgerungen ziehen. Oder dann, wenn ich wirklich still werde, Erkenntnisse in mir aufsteigen ‚sehen‘ – Antworten die den Weg ans Licht finden und dann mich, mein Licht, leuchten lassen.
Es ist ein inneren Wissen, ein leises, feines. Kein herumgrübeln wie wir es so oft tun, sondern das was auftaucht, wenn wir innehalten. Gefühlt im Dunklen sitzen und mit der Verwirrung bleiben. Dann kann ein tieferes Verstehen auftauchen, das plötzlich da ist. Eine Antwort die wir so nicht erwartet hätten. Die sich aber richtig und stimmig anfühlt. Da kommt Licht, kein grelles, sondern ein sanftes, da sind wir verbunden mit dem Licht in uns.
Licht entsteht oft im Schatten
Es scheint ein Paradox zu sein, Licht entsteht nicht, weil die Dunkelheit fehlt. Weil du den Schatten meidest. Licht entsteht wenn du den Schatten zulässt.
Wenn du bei einem schwierigen Gefühl bleibst, bei einer unbequemen Wahrheit, bei einem alten Muster, und dich nicht sofort abwendest, denn dann kann genau dort etwas in dir aufleuchten. Ein Wissen, was echt ist, was bleibt, was still ist. Und trägt.
Licht aus dem Kern: Atma
Ganz tief im Inneren, eine noch viel tiefere Schicht als buddhi, liegt Atma. Das was uns ausmacht. Die meisten übersetzen mit Seele oder Wesenskern. Das stimmt so nicht wirklich. Atma ist etwas in uns, das ewig und beständig ist. Das durch nichts zerstört oder getrübt werden kann, etwas völlig absichtsloses. Atma ist das, was uns mit der Ewigkeit verbindet und was dorthin zurückkehrt, wenn wir diese Inkarnation verlassen.
Es ist DAS Licht. Nicht sichtbar, aber erfahrbar. In Momenten großer Stille oder großer Wahrheit. Plötzlich erinnerst du dich daran, wer du bist. Nicht durch Rollen, Leistung oder Fähigkeiten, sondern einfach durch dein Sein.
Und du?
Vielleicht fühlst du dich gerade gar nicht besonders ‚hell‘. Nicht besonders klar. Und schon gar nicht strahlend. Das heißt aber nicht, das du das Licht verloren hast. Vielleicht brauchst du Stille, Raum und Geduld.
Mehr Zeit im Schatten, mehr Rückzug. Mehr Rückverbindung mit dir, buddhi und ātmā, आत्मा.
Meistens sind die Momente der Erkenntnis nicht laut und auch nicht sichtbar. Aber du spürst ihn – sie. Und dann weißt du: Das war Licht. Auch wenn es sich leise angefühlt hat.
Wann hattest du zuletzt so ein ganz leises Aha? Welche Antwort kam in einem Moment, in dem du nicht mehr gesucht hast?
Wie fühlt sich dein Licht an, wenn du nicht danach suchst, sondern dich erinnerst, dass es längst da ist?