Zum Hauptinhalt springen

Ganesha, die Maus und das Gleichgewicht in uns

Es gibt Geschichten, die sind wie Märchen, Mythen und doch berühren sie etwas in uns, das ja sagt. Denn wir wissen längst, was gemeint ist.

(Wenn du die Geschichte von Ganesha und dem Mond nicht kennst: Hier kannst du sie hören.)

Die Geschichte von Ganesha, der auf einer Maus reitet, zu viel isst, fällt, wütend wird und dann was Dummes tut ist so eine. Sie ist irgendwie charmant, ein wenig wie eine Erzählung für Kinder. Sie scheint übertrieben, vielleicht symbolisch? In Wahrheit erzählt sie von etwas sehr Menschlichem. Davon wie schwer es ist die Balance zu halten und dem Mut zu erkennen, dass wir auch unvollkommen sind.

Zwischen Übermaß und Maß

Ganapati, so wird er auch genannt, liebt Süßes über alles. Er isst zu viel und weiß es. Und er tut es trotzdem. Dann fällt er und sein Bauch platzt. Ein Moment den er nicht kontrollieren konnte, sogar als Gott. Plötzlich ist er nicht mehr der Erhabene, weise, sondern einer, der sich wieder berappeln muss. Laddu zurück in den Bauch stopfen, das nächstbeste, nämlich die Schlange drum binden und weitermachen.

Wir alle kennen Momente in denen wir umfallen. Das Gleichgewicht geht verloren, zu viel zu tun, zu wenig Zeit, zu sehr im Außen, abgelenkt und alles fällt auseinander. Oder wir selbst.

Es ist kein Zufall, dass dieser dickbäuchige Gott auf einer kleinen Maus reitet. Sie ist ein Bild für unsere inneren Kräfte – klein, flüchtig, sensibel, schwer zu lenken. Und doch trägt sie uns, wenn wir lernen Balance zu halten. Indem wir aufmerksam bleiben, aber nicht steif und starr werden oder klammern. Bewegung darf bleiben.

Wenn Licht allein nicht reicht

Als Chandra über Vinayaka (ein anderer Name für Ganesha: der Hindernisse beseitigt) schallend lacht, zerbricht etwas. So dass Ganesha seinen Stoßzahn abbricht und nach dem Mond schleudert mit dem Fluch: Du sollst nie wieder scheinen! 

Es zerbricht die Selbstverständlichkeit mit der wir Licht feiern und die Dunkelheit ablehnen, nicht in den Schatten wollen.

Doch Licht ohne Dunkelheit wird sehr unangenehm. Es brennt, macht alles sichtbar, aber nicht fühlbar. Es lässt keine Rückzugsorte, keine Pausen, kein Dazwischen mehr zu. Der elefantenköpfige Gott besinnt sich wieder und mildert den Fluch, zurücknehmen kann er ihn nicht mehr. Aber verändern. Der Mond darf wieder scheinen, in seinem Zyklus mit den verschiedenen Mondphasen.

Nicht alles muss hell bleiben, nichts muss konstant bleiben. Das Leben bewegt sich. Verschieden Phasen, Zeiten des Dazwischen-Seins und des Übergangs. Eine Spannung zwischen den Gegensätzen.

Die Würde der Zwischentöne

Diese Geschichte macht uns ein Angebot, uns zu erinnern. Daran, dass Wesentliches oft nicht im Licht geschieht, sondern im Übergang, im Schatten, vielleicht sogar in der Dunkelheit.

Vor allem in den Momenten, in denen wir nicht weiter wissen. Wenn wir Fragen haben, uns wieder sammeln müssen, langsam werden, weil wir nicht weiter wissen. Es wird dunkel in uns und es entsteht Nähe. Nicht durchs Leuchten, sondern durch unsere Verletzlichkeit. Nicht durch Kontrolle, sondern durchs weicher werden.

Transformation beginnt nicht mit Perfektion

Ganesha macht nicht alles ‚richtig‘. Aber er reflektiert. Er kann den Schaden nicht rückgängig machen, aber er verändert seine Wirkung. Er bringt wieder ‚Ordnung‘ in das, was verletzt war. Das ist Leben, nicht fehlerfrei zu sein, sondern bereit sein, zu verändern.

Eine Einladung

Vielleicht ist das die Essenz der Geschichte: Wir dürfen lernen mitten im Auf und Ab des Lebens zu stehen. Aufrecht. Offen. Nicht perfekt – aber wach. Wir müssen nicht immer alles in Balance halten, sondern können erlauben, dass sie verloren gehen kann und wieder zurück kommt. Neu sortiert.

Manchmal hilft ein kleines Lächeln. Oder eine Maus.


P.S. Mein spiritueller Name war Chaaya - Schatten (unter anderem so übersetzt). Aber das ist eine Geschichte für ein anderes Mal.